Für mich gibt es zwei Konzepte: Das Konzept der Angst und das Konzept der Liebe. Und wenn wir bis jetzt mit dem Konzept der Angst gelebt haben, wird es Zeit, dieses zu verlassen.

So spricht Pablo Pineda, ein junger spanischer Lehrer und erster Europäer mit Hochschulabschluss und Down-Syndrom, in dem sehr berührenden Film ‚Alphabet‘.

Der Film untersucht Bildung als weltweite Idee und wirft einen kritischen Blick auf die Ökonomisierung des Lernens, um gleichzeitig zu zeigen, dass das gar nicht möglich ist.

Pinedas Zitat markiert dabei den markanten Übergang des Films von der Frage nach Leistung zu der nach Glück, Erfüllung und Kreativität.

Aber: Wie setze ich das um?

Und in der Praxis? Ist diese wunderbare Idee von Pablo Pineda scheinbar schnell angewandt – so tue ich es selber und so erlebe ich es bei anderen: Jede Entscheidung, derer im Alltag viele sind mit Kindern, kannst du so checken: Angst oder Liebe? Geht sie mehr in Richtung deiner Werte oder verhaftet sie in deinen alten Mustern?

Dabei geht es nicht darum, Alternativen zum bisherigen Verhalten zu entwickeln, die so anders sind, dass du sie nicht bewältigen kannst. Das ist ein Fehler, den auch ich immer wieder mache: Ich zwinge mich in Dinge, die zu viel sind. Die zu kompliziert sind. Die ich nicht bewältigen kann.

Nein. Keep it simple.

Bisher hast du geschimpft, wenn etwas runtergefallen ist? Dann wähle, dir auf die Zunge zu beißen. Oder wähle, den Lappen zum Aufwischen anzuschimpfen. Tue IRGENDETWAS, was mehr deinen Werten entspricht.

Dass du aber entspannt und liebevoll lächelnd mit einem Lappen zum Aufwischen angerannt kommst, das wird nix. Vergiss es. Es überfordert dein Gehirn und es tut weh.

Nimm eine Option, die bewältigbar ist. Fall nicht auf die Rama-Familie rein. Sie ist böse!

Zweites Aber: Die Falle

Dabei sind Sinnsprüche wie der mit der Angst und der Liebe eben nur dann hilfreich, wenn du ehrlich bist.

Es ist verführerisch, so simpel zu denken. Weg von der Angst, hin zu der Liebe. Was könnte einfacher sein? Dabei ist es sehr voraussetzungsreich, solcherart zu leben. Was ist denn nun diese Liebe? Wurde in ihrem Namen nicht schon jede Menge Grausamkeit angerichtet? Und was, wenn Angst nicht die andere, sondern die gleiche Option ist?

Wenn Angst dich hindert, zu sagen, was du denkst, kann sich das wie Liebe anfühlen. Ist es aber nicht (damit mache ich gerade bittere Erfahrungen).

Wenn Angst dir sagt, du sollst nachgeben, damit dein Kind aufhört zu weinen, kann sich das wie Liebe anfühlen. Ist es aber nicht.

Was also tun?

Ich schlage folgendes vor: Angst und Liebe denken. Wenn Verbindung und Miteinander da wohnen, wo die Angst am größten ist (und ich habe den Verdacht, dass sie das durchaus tun – nämlich da wo die Verletzlichkeit ist), dann hängen sie zusammen.

Dann liegt Liebe hinter Angst. Und die Kunst ist, so zu handeln, dass wir nicht aus Angst handeln, ihr im Grunde ausweichen, sondern in die Angst reinhandeln.

Da liegt das neue Land.